Der Kuss

Der Kuss

Vor fünfzig Jahren wurde ich als junge Braut über die Schwelle getragen! Eine Heldentat, wenn man bedenkt, dass unser altes, queenländisches Bauernhaus ganz typisch auf hohen Baumstämmen gebaut worden war. Mein geliebter Held schwankte tapfer die 14 Stufen hinauf und setzte mich mit demselben, selbstsicheren Auftreten, als wäre ich ein schwerer Sack voll Düngemittel, triumphierend hinein! Aber einen stinkenden Sack hätte er wohl nie so geküsst, wie er mich damals küsste... einen Beweis dafür, dass er noch einen romantischen Streifen besaβ. Besaβ!

Die Jahre vergingen. Die Umstellung von einer Bauerntochter zu einer „ Ananas Bauernfrau“, von Ehefrau zur Mutter und die ersten sieben Jahre vergingen ohne mehr als die normalen Reibungen – aber die Romantik blieb ganz und gar in der Vergangenheit! Bei unseren wenigen Ausflügen umschlangen seine Finger nicht mehr die meinen und wenn ich versuchte seine Hand zu halten, wurde ich mit einem kurzem „ wir sind schon verheiratet“ zurück gewiesen. Als ob das ein gesetzliches Ende für öffentliche Zuneigungsbezeugungen bedeutete!

Autsch!

Da waren wir, drei Kinder später (ja, in der Zurückgezogenheit unseres Schlafzimmers war er romantisch!). Ich war ein völlig neugeborener, geisterfüllter Christ, mit einem Ungläubigen verheiratet. Er war noch immer ein Bauer. An sechs oder mehr Tagen der Woche pflückte er mit seinen Brüdern zusammen Ananas und einige Jahre lang musste ich den Traktor lenken, während sie pflückten oder pflanzten. Es kann sehr eintönig werden, wenn man sich im Schneckentempo an den endlos langen Ananasreihen entlang bewegt, eine halbe Meile in einer Stunde; anhalten / wieder losfahren, und das in den heiβen Sommernachmittagen. Oftmals nickte ich ein, nur um durch einen Schrei von einem der Männern grob aufgeweckt zu werden! Dadurch fing ich an Bibelverse auswendig zu lernen, um wach bleiben zu können. Ich hielt mich wach mit dem Worte Gottes. Ich musste den Traktor gleichmäßig in den Reihen halten.

In dieser Zeit war ich Mitglied einer sehr aktiven Kirche. Ich liebte die Gemeinde und wurde geliebt, aber mir fehlte noch etwas. Da ich die „Above Rubies“ las, wusste ich, dass ich eine ältere Frau nötig hatte, so wie es in Titus 2,3-5 steht:“ Diese älteren Frauen sollen die jungen Frauen lehren, ihren Mann und die Kinder zu lieben, besonnen zu sein, rein, häuslich, gütig , ihren Männern untergeordnet, damit das Wort Gottes nicht verlästert wird.“

Dann sandte Gott mir Jean. Jean war mir eine Stütze und wenn es schwer wurde war sie am anderen Ende der Telefonleitung. Jean war eine Herausforderin. Sie brachte mich dazu, neue Wege zu finden, um in meinem Heim kreativ zu sein. Jean war eine weise Frau. Aus Erfahrung wusste ich, wenn Jean sagte, dass sie sich von Gott geleitet fühlte, mir etwas zu sagen, dann wäre es besser zu gehorchen, denn es kam von Gott!

Eines Tages fragte sie mich unauffällig, ob ich Les je einen Kuss geben würde, bevor er morgens zur Arbeit fuhr. Nein, das tat ich nicht. Hatte es auch schon jahrelang nicht getan! Er beendete sein Frühstück, nahm seine Handschuhe zum Ananas pflücken, sowie sein schweres, gut gebrauchtes Messer, um die Ananas abzuschneiden, tätschelte noch den Hund und ging dann zu seinem Fahrzeug und fuhr für den ganzen Tag fort. Nein, er bekam keinen Kuss von mir. Ich war immer schon mit dem Abwasch oder mit der Wäsche beschäftigt, wenn er das Haus verließ.

„Joan, ich glaube Gott will, dass du Les jeden Tag einen Kuss gibst, bevor er zur Arbeit fährt.“ Also gut! Jetzt musste ich Les einen Kuss geben bevor er zur Arbeit fuhr!

Am nächsten Morgen wartete ich an der Tür. Er nahm wieder seine Handschuhe und sein Messer, tätschelte geistesabwesend den Hund und steuerte auf die Tür zu. Ich stand bereit mit einem heiteren „Aufwiedersehen, Liebling!“ und versuchte ihm einen Kus zu geben. Verpasst! Schon war er im Fahrzeug und davon! Na gut! Es gibt immer noch ein Morgen!

Am nächsten Morgen stand ich wieder an der Tür bereit mit einem Lächeln und einem heiteren „ Aufwiedersehen, Liebling!“. Ich zielte wieder in seine Richtung mit einem Kuss. Diesemal sah es so aus, als ob er sein Gesicht

wegdrehte, um dem Kuss auszuweichen. Autsch! Der eintägige Backenbart, der meine Lippen streifte, verursachte mir schmerzen, aber die Abfuhr schmerzte noch mehr! Tränen drangen in meine Augen, als ich mich an den Abwasch machte. Später am Tag rief Jean mich an, um zu hören wie es mir erging. „Er lässt mich nicht einmal nahe genug heran, um ihm einen Kuss zu geben!“ weinte ich. „Du hast erst gerade angefangen! Du machst es gut! Bleib dabei!

Warte einmal! Er ist mein Mann und der Vater unserer Kinder und er will nicht einmal einen Kuss von mir haben?!

Sei da für ihn! Okay, wenn ich muss! Jean war dabei, ihre „Titus 2 Aufgabe“ gut auszuführen! Das musste von Gott kommen!

Jeden Morgen stand ich an der Tür bereit, um ihm einen Kuss zu geben. Jeden Morgen bekam ich dieselbe Abfuhr! Jeden Tag war es dasselbe. Und doch war es jeden Tag anders. Lester rasierte sich zweimal in der Woche, also hatte ich zwei Zyklen in einer Woche. Die glatte Wange, den scharfen,kurzen Bartstoppel, dann das längere, weichere Barthaar streifte meine Lippen – so nah und doch auβer Reichweite. Meine armen Lippen und Wangen! Es schmerzte so sehr!

Während er sich der Seitentür näherte wo ich pflichtgetreu wartete, konnte ich schon den Geruch seiner Arbeitskleider wahrnehmen - der reife, alte Saft von den Ananas und den fast Tee ähnlichen Geruch der Blätter.

Manchmal war da auch noch der Geruch von dem Rasierwasser, welches er gerne auftrug, wenn er zur Stadt fuhr... aber einen Kuss konnte ich ihm immer noch nicht geben!

Die Wochen wurden zu Monate! Zwei, drei, vier Monate verstrichen. Es waren lange Monate und ohne meine treue „ ältere Frau“ Jean, die mir immer wieder Mut machte, hätte ich sicher aufgegeben! Fünf, sechs, sieben Monate und noch kein Erfolg in Sicht! Die Jahreszeiten veränderten sich vom Pflücken zum Pflügen bis hin zum Pflanzen – staubige Arbeiten... und der Geruch seiner Kleider veränderte sich von altem Saft zu Staub. Immer noch wartete ich jeden Morgen an der Tür mit meinem gut geübten, heiterem „Aufwiedersehen, Liebling!“ Und lass es mir dir sagen. Ich würde lügen müssen, wenn ich dir nicht gestehen würde, dass ich ihn manchmal hätte schlagen können.

Und dann eines Morgens, nach ungefähr acht oder neun Monaten, verpasste ich ihn. Ich musste zum Waschzimmer laufen, denn ich hörte, wie die Waschmaschiene drohend wackelte, als sie sich aus dem Gleichgewicht schleuderte. Als ich zurück in die Küche eilte, sah ich, dass er schon im Fahrzeug war und schon vom Hof fuhr. Doch dann hielt sein Fahrzeug an. Was er wohl vergessen hatte? Seine Handschuhe, sein Messer? Sie waren nicht bei der Tür, also musste es etwas anderes sein.

Ich ging zurück zu meinem Abwasch mit einem Kloβ im Hals. Ich versuchte die Tränen der Reue, dass ich nicht für ihn dagewesen war, zurück zuhalten! Da ich den Stapel Teller so wild angriff, hörte ich nicht, dass sich die Tür öffnete. Plötzlich wurde ich von hinten ergriffen, herum gedreht und anständig auf meine Lippen geküsst! Und dann war er auch schon weg! Zurück ins Fahrzeug und aus der Einfahrt. Ich war überwältigt! Ich stand da, die Tränen strömten mir übers Gesicht und schienen das Spülwasser zu füllen! Er hatte mich geküsst!

Als ich am nächsten Morgen mit meinem „Aufwiedersehen, Liebling“ an der Tür bereit stand, küsste er mich! Auch am nächsten Morgen! Mehr und mehr suchte er nach einer Gelegenheit, um mir einen Kuss zu geben! Das Eis war gebrochen!

Es war auch noch etwas anderes gebrochen – das ungeschriebene Gesetzt übers Hände halten! Aber das Wunder war, dass wir, je älter wir wurden, uns immer mehr liebten, mit mehr und mehr von diesen schönen, unerwarteten Zeichen der Liebe bis die Parkinson Krankheit ihn vor fast sieben Jahren von uns nahm.

Vor ein paar Wochen halfen meine kostbaren Kinder und Groβkinder mir, den Tag zu feiern, der unserer prächtiger Goldener Hochzeitstag gewesen wäre. Um aufrichtig zu sein, wenn ich auf all diese Jahre zurück schaue, sehe ich, dass es eine Zeit von Hochs und Tiefs gewesen ist und oft war es ganz anders, als es sich ein Mädchen erträumen würde.

Ich zitiere hier die liebe „Titus Zwei Jean“, - Es müβen all die Monate von -liebender-Treue-

ohne-Klagen- gewesen sein, die seinen eigensinnigen Widerstand brachen“. War das all die schmerzenden Lippen wert? Ganz sicher! Zuerst gab Gott mir Jean und durch ihren treuen Dienst gab er mir meinen Mann zurück – versiegelt mit einem Kuss!

 

Joan Westaway

Moggill, Queensland, Australia

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